Berater Ralph Hientzsch über die Angst der Banken, als Öko-Schwindler an den Pranger gestellt zu werden
Herr Hientzsch, Banken müssen bei der Geldanlage jetzt über Nachhaltigkeit informieren. Pure Kosmetik oder haben die Kunden etwas davon?
Hientzsch: Es bringt den Kunden durchaus etwas, wenn in der Beratung die Transparenz über die ESG-Anlagen steigt. Zudem müssen die Anleger jetzt erstmals nachdenken und ihre Präferenz angeben, in welche Kategorie sie fallen: Wollen sie mit ESG nichts zu tun haben? Wollen sie leicht grün oder wirklich grün anlegen – in den Klassen 8 und 9, technisch gesprochen.
Und was fragen die Leute nach?
Hientzsch: Der Trend geht eindeutig zu grüner Geldanlage. 2021 lagen schon 1,9 Billionen Euro in Fonds der Kategorie 8 und 9, Ende April dieses Jahres waren es 3,3 Billionen Euro. Das entspricht 45 Prozent des Gesamtmarkts.
Wenn die Nachfrage so groß ist und deshalb jedes Papier als „nachhaltig“ verkauft wird, was ist das Siegel dann noch wert?
Hientzsch: Ja, das ist ein schwieriger Punkt, da müssen wir nicht drum herumreden. Wenn jetzt Gas und Atomkraftwerke als nachhaltig eingestuft werden, dann ist das für viele ein Schock. Ganz grün wird die Wirtschaft nicht über Nacht.
Die Erfahrung mit den Beratungsprotokollen in den Banken war ziemlich ernüchternd: Sie produzierten mehr Papier, vor Verlusten haben sie nicht bewahrt. Warum sollte das auf dem Feld der Nachhaltigkeit anders laufen?
Hientzsch: Erst mal gebe ich Ihnen recht. Die Beratungsprotokolle, eingeführt als Reaktion auf die Finanzkrise, haben nichts gebracht; es wurde ein Wust an Bürokratie geschaffen und die Banken haben sich der Haftung entledigt, weil die Kunden ja unterschrieben haben, dass sie über das Risiko aufgeklärt wurden. Das läuft jetzt besser. Die ESG-Regeln schaffen in jedem Fall mehr Transparenz darüber, wie ökologisch und sozial eine Finanzanlage ist.
Dagegen spricht, wie vage die Vorschriften formuliert sind.
Hientzsch: Der Eindruck ist nicht richtig. Die Formulierungen und Anforderungen sind zum Großteil sehr konkret. Ein Schlupfloch ist die unterschiedliche Regulatorik auf nationaler und europäischer Ebene. Das könnte mancher ausnutzen.
Gibt es überhaupt genügend grüne Anlagemöglichkeiten? Oder entsteht da gerade eine Blase?
Hientzsch: So viele Projekte, die es zu finanzieren gilt, gibt es im Moment nicht, da haben Sie recht. Deswegen besteht natürlich die Gefahr des „Greenwashing“…
…dass Anlageprodukte als grüner verkauft werden, als sie tatsächlich sind.
Hientzsch: Genau. Wegen solcher Vorwürfe landete die DWS am öffentlichen Pranger. Die DWS hatte sich bei einem Fonds sehr weit aus dem Fenster gelehnt und das auch noch zu einem so frühen Zeitpunkt, als noch gar nicht klar war, welche Finanzprodukte tatsächlich als ESG-konform zu verstehen sind. Daraus hat die Branche gelernt. Dieser Schreck steckt nun allen Anbietern in den Knochen, alle haben sie unheimliche Angst davor, des „Greenwashing“ bezichtigt zu werden. Diesen Reputationsschaden will niemand!
Reagieren die Kunden in solchen Fragen wirklich so allergisch?
Hientzsch: Ja, die Anleger sind da sehr sensibel. Umwelt- und Social-Themen sind ihnen sehr wichtig, sie wollen alles, nur nicht dabei betrogen werden.