Mit Beschluss vom 18. Oktober 2023 hat der EZB-Rat dem Projekt Digitaler Euro den Startschuss für seine sogenannte Vorbereitungsphase gegeben. Der digitale Euro nimmt Gestalt an!
In Fachkreisen wird schön längst über Europas erstes Digitalwährungsprojekt spekuliert. Experten sind sich einig; der Bedarf nach digitaler Transformation wird über kurz oder lang auch das europäische Finanzwesen treffen. Mit dem digitalen Euro will die EZB auf diese Bedarfe reagieren und ein modernes, effizientes Zahlungssystem einführen, das ebenso den Anforderungen einer digitalen Wirtschaft gerecht wird. Damit verspricht sich die EZB Souveränitätsgewinn gegenüber dem US-amerikanisch dominierten Markt und eine fortschreitende finanzielle Integration. Und obwohl das Projekt derweil noch auf politisch und rechtlich unsicherem Grund steht, sind die ersten Ergebnisse bereits aussagekräftig. Vor diesem Hintergrund und angesichts der geplanten Einführung bis 2028 möchte das Fachteam Financial Services der IT- und Managementberatung Consileon potenzielle Auswirkungen der digitalen Zentralbankwährung (Central Bank Digital Currency – CBDC) auf Wirtschaft und Gesellschaft erkunden und einen Blick in die Labore der EZB werfen.
Der digitale Euro
Europas zunehmend digitalisierte Zahlungslandschaft sowie die abnehmende Nutzung von Bargeld in nahezu allen Mitgliedsstaaten waren für die EZB Anlass genug, um die Entwicklung eines E-Euros anzustoßen. Damit war von vornherein klar; der digitale Euro richtet sich in erster Linie an Privatpersonen. Er soll als gesetzliches Zahlungsmittel ergänzend zum Bargeld über den Einsatz digitaler Geldbörsen (Wallets) allen EU-Bürgerinnen und -Bürgern zugänglich gemacht werden. Mit dieser sogenannten Retail-Variante ließen sich sodann Zahlungen im Online- oder Einzelhandel, aber auch zwischen Personen untereinander abwickeln. Die EZB erwägt dabei einen Offlinemodus einzuführen, der Barzahlungen weitestgehend imitiert. Trotz des Vertrauens in die derzeitige Gemeinschaftswährung zeigen Verbraucherinnen und Verbraucher Sorgen hinsichtlich Datenschutz und potenzieller Überwachung. Die EZB verspricht in weiteren Projektphasen diese Bedenken zu adressieren, stellt aber schon jetzt klar: Vollständige Anonymität wird ihre digitale Währung nicht leisten.
Der Finanzsektor sieht sich mit der Herausforderung konfrontiert, den digitalen Euro in das bestehende Finanzsystem zu integrieren, ohne dessen Stabilität zu gefährden. Banken und andere Finanzdienstleister würden eine zentrale Rolle bei der Distribution spielen und zu dessen Verwaltung verpflichtet. Es besteht jedoch die Befürchtung, dass eine zu starke Verlagerung von Einlagen in digitalem Euro die Liquidität der Banken beeinträchtigen könnte. Die EZB plant, durch Einführung von Haltegrenzen und anderen regulativen Maßnahmen, um die Liquidität im Bankensystem zu steuern und Risiken zu minimieren. Ebenso äußern sich Industrievertreter skeptisch über den Nutzen der Retail-CBDC. Für größere, institutionelle Transaktionen wird ihrerseits eine sogenannte Wholesale-Variante des digitalen Euros für Großbetragszahlungen gefordert. Sie soll über Distributed Ledger Technologien (DLT) abgewickelt werden, um Effizienz, Sicherheit und allen voran Innovation zu fördern, aber auch europäische Unternehmen befähigen, unabhängiger von globalen Zahlungssystemen zu operieren.
Die Chance nutzen
Die Einführung des digitalen Euros wird zunächst eine robuste rechtliche Grundlage erfordern. Die jüngste Europawahl und die Neubesetzung der Europäischen Kommission könnten den Zeitplan beeinflussen. Etwaige wegweisende Entscheidung werden daher erst ab 2025 erwartet. Für uns stellen sich schon jetzt Datenschutz, klare Kommunikationsstrategien und die aktive Mitarbeit aller Stakeholder als entscheidende Erfolgsfaktoren für den digitalen Euro heraus. Das Projekt positioniert sich indes an der Schnittstelle von technologischer Innovation und gesellschaftlichem Wandel. Andere Länder haben diesen Schritt hin zu einer digitalen Zentralbankwährung bereits gewagt. Längst ist das Vorhaben der EZB nicht mehr nur konzeptionell, sondern auch von Seiten seiner praktischen Umsetzung und Anwendung zu betrachten. Banken, Finanzdienstleister und Unternehmen sind gut damit beraten, die Fortschritte des Digitalwährungsprojekts kontinuierlich zu beobachten und mögliche Implikationen für ihre Geschäftsmodelle immer wieder neu zu bewerten. Nur so können Sie sicherstellen, die Chancen dieser neuen Währungsform voll auszuschöpfen.