Definition, Anwendungsbeispiele und Chancen von PPU
Und wieder rotiert ein neues Buzzword durch das Web: Pay-per-Use (PPU), zu Deutsch: Zahle für Nutzung. Aber was steckt konkret hinter den sogenannten Verbrauchszahlungen? Wo findet PPU bereits Anwendung? Und welches Potenzial für das Privatkundengeschäft von Banken liegt hier noch brach?
Hinter Pay-per-Use verbirgt sich ein an Beliebtheit gewinnendes Businessmodell in der digitalen Welt, bei dem die Kundin oder der Kunde ausschließlich für die Nutzung eines Produkts bezahlt – as a service. Nicht ohne Grund sehen 57 Prozent der mittelständischen Unternehmen dieses Businessmodell als Chance für eine neue Einnahmequelle. Kundinnen und Kunden „mieten“ also ein Produkt oder einen Service. Das bedeutet: Je mehr und häufiger die Kundin oder der Kunde das Produkt oder den Service nutzt, desto mehr bezahlt sie beziehungsweise er auch.
Abo-Modelle beliebter als Kaufverträge
Dieses Modell ist bereits länger bekannt aus der Versorgungsindustrie. Durch das Aufkommen des Internet of Things (IoT) sowie die Ermöglichung von Near Realtime (NRT) ist die Nachverfolgung der Produktnutzung einfacher, greifbarer zugänglicher und genauer denn je. Dies eröffnet neue Anwendungsmöglichkeiten – so auch im Bereich Digital Banking. Damit sind bereits heute die technischen Voraussetzungen gegeben, um die Erwartungen der Kundschaft von morgen zu bedienen: der Generation Z (kurz: Gen Z, geboren zwischen 1997 und 2012). Große Unternehmen wie Disney, L’Oréal oder PepsiCo setzen schon seit Jahren auf diese abonnementbasierte Ertragsform.
Spannend wird der Einsatz von PPU hinsichtlich der Gestaltung eines wertorientierten Abrechnungsmodells. Aus einer Einmaltransaktion eines physischen Produkts oder eines Service wird eine permanente Verflechtung unter Verwendung einer bedarfsbasierten Abrechnung zwischen Anbieter und Kunde. Damit verändert sich auch die Kostenstruktur. Ein Großteil der Anwendungsbeispiele von PPU basiert auf Abonnementmodellen (Subscription), wobei jeweils eine Grundgebühr – meist in Form einer Vorleistung – fällig wird. Auf der anderen Seite gibt es nutzungsabhängige Preismodelle, bei denen ohne Abo-Modell lediglich das tatsächlich Genutzte abgerechnet wird – das heißt: ohne Grundgebühr, sondern beispielsweise pro gefertigtem Teil einer Maschine.
Der Vorteil? Mit PPU können Benefits wie ein einfacher Zugang zu neuen Kundensegmenten (Ansprache unregelmäßiger Verbraucher), stärkere Kundenbeziehungen mittels eines langfristigen und serviceorientierten Ansatzes (weniger Kundenabwanderung), höhere Gewinnmargen im Vergleich zu Einmaltransaktionen sowie die Schaffung von Wettbewerbsvorteilen durch das Angebot zusätzlicher Vergünstigungen und Services (Software, Maintenance etc.) realisiert werden. Zudem können regelmäßige Zahlungen für Stabilität in konjunktur- oder auftragsschwachen Zeiten sorgen, in denen größere Einmalinvestitionen abschrecken.
Welchen Aufwand erfordert die Einführung von PPU?
Nichtsdestoweniger entstehen durch den Einsatz des PPU-Modells gleichermaßen Herausforderungen. Um die Kundinnen und Kunden zu halten, müssen sie stets begeistert und bei Laune gehalten werden aufgrund des längeren Customer-Lifecycles, was eine permanente Überwachung der Kundenaktivität erfordert und den Druck erhöht, kontinuierlich an einer Verbesserung der Produkte oder Services zu arbeiten. Zudem können nutzungsabhängige Preismodelle nicht ohne Weiteres prognostiziert oder berechnet werden. Ebenso wichtig sind Überlegungen zu Kündigungsfristen und Preisstaffelungen, da Verbraucherinnen und Verbraucher zunehmend ein höheres Maß an Flexibilität erwarten. Die Lösung liegt auf der Hand: Je begeisterter die Kundschaft ist, desto häufiger nutzt sie das Angebot. Das führt zu höheren Erträgen des Unternehmens.
Der zukünftig wichtigste Nutzer von PPU: die Gen Z. Warum genau diese Konsumentengruppe so wichtig für PPU im Privatkundengeschäft von Banken ist, erklären wir im nächsten Abschnitt.
Die Loyalität der Gen Y (oder der Millennials, geboren ab den frühen 1980er- bis in die späten 1990er-Jahre) und der Gen Z zu gewinnen, ist entscheidend für den langfristigen Erfolg der Banken. Allein in den USA wird geschätzt, dass diese beiden Generationen über eine Kaufkraft von rund 350 Milliarden US-Dollar verfügen. Bei aktuell zwölf Millionen Deutschen in dieser Bevölkerungsgruppe entspricht das bis 2025 30 Prozent des BIP. Unter Betrachtung des Einkommens der Länder Australien, Frankreich, Deutschland, Niederlande, Großbritannien und den USA wird das Einkommen der Gen Z bis 2030 auf 3,2 Billionen US-Dollar geschätzt, sobald diese Generation vollständig in das Berufsleben eingetreten ist. Verglichen mit 460 Millionen US-Dollar im Jahr 2019 ist das ein Multiplikator von Acht. Was ebenfalls berücksichtigt werden sollte: Zu Beginn ihrer Karriere werden die Angehörigen der Generation Z über kein großes Einkommen verfügen. Daher steht die Möglichkeit, Dienste nur bei Nutzung zu kaufen, hoch im Kurs. Besitzen steht nicht im Vordergrund, die Gen Z möchte nutzen! PPU setzt genau hier an.
Tipps für Banken zur Gestaltung von PPU-Anwendungen
Um diese Zielgruppe zu gewinnen und zu begeistern, ist es unabdingbar, dass Banken das Verhalten und die Interessen der Gen Z verstehen. Nur so können sie sinnvolle und erfolgreiche PPU-Cases gestalten. Folgende Charakteristika sollten dabei berücksichtigt werden:
Personalisierung: Das Onlinebanking sollte auf die spezifischen Bedürfnisse der Gen Z zugeschnitten sein. KI-integrierte Tools wie intelligente Chatbots oder dynamische Dashboards, die ein individuelles Nutzererlebnis bieten, sind bei der Generation Z sehr beliebt. Banken sollten daher die Vorteile der künstlichen Intelligenz nutzen, um eine persönliche Note zu schaffen, die jüngere Kundinnen und Kunden wünschen, und Dienste im PPU bereitstellen, die den jüngeren Usern mehr Flexibilität und Vielfalt beim Zugang zu alternativen Tools im Beyond-Banking-Bereich bieten.
Lösungen zum Sparen: Daten von The Financial Brand haben ergeben, dass 43 Prozent der Generation Z das Sparen lernen wollen, FinTechFutures beschreibt, dass 56 Prozent mit ihren Eltern bereits über das Sparen gesprochen haben. Banken können Innovationen wie prädiktive Analysen (= Finanzanalysen) einsetzen, um das Ausgabeverhalten jüngerer Kundinnen und Kunden zu prognostizieren, und ihnen kostenlose Umsatzanalysen ihres einnahme- und Ausgabeverhaltens sowie ergänzende Handlungsempfehlungen entsprechend ihrer Nutzung anbieten, um ihre Spargewohnheiten zu verbessern.
Bildung: Die Generation Z möchte, dass Banken ihnen finanzielle Kenntnisse vermitteln. 38 Prozent möchten lernen, wie sie klügere Kaufentscheidungen treffen können, 36 Prozent möchten einen Kurs besuchen, in dem erklärt wird, wie man eine Steuererklärung macht, und nur 19 Prozent der Hochschul-Absolventen glauben, dass sie insgesamt genug über Kredite wissen. Dies bietet den Banken viel Raum für innovative Lösungen im Bereich der finanziellen Bildung, um jüngere Kundinnen und Kunden zu gewinnen und zu halten.
PPU als Einstiegskredit für Gen-Z-Unternehmer: Kredite mit Laufzeit, deren Raten sich an der Performance ausrichten (Underlying Asset), erfreuen sich zunehmender Beliebtheit. Nimmt zum Beispiel ein Gründer einen Kredit für eine Maschine auf, orientiert sich die Höhe der Ratenzahlung an ihrer Nutzung oder am Umsatz.
Wenn man sich den bisherigen Einsatz von PPU branchen- und länderübergreifend anschaut, erkennt man schnell: PPU wird im Privatkundengeschäft von Banken bislang kaum genutzt.
Wie wird PPU bislang angewendet?
Grundsätzlich differenzieren wir zwischen zwei Zwecken von PPU-Use-Cases:
1. Finanzierung (Banking-Relevanz) und 2. Product-as-a-Service.
- Finanzierungen über PPU sind schon seit mehreren Jahren im Geschäft mit produzierenden Firmenkunden möglich. 2018 hatte die Commerzbank als erstes deutsches Finanzinstitut mit dem „Pay-per-Use-Kredit“ für ihre Firmenkunden einen Anwendungsfall im Bereich Finanzierung entwickelt. Dabei errechnet sich die Tilgungshöhe an der Maschinennutzung und damit der Umsatzhöhe, was letztlich die Liquidität des Unternehmens schont.
- Gleiches gilt für die gewerbliche Nutzung von Produkten nach dem PPU-Prinzip (Product-as-a-Service). Sowohl Waschmaschinen von Miele als auch LED-Leuchten von Philips lassen sich nach diesem Prinzip nutzen.
Aber war das der Durchbruch des PPU-Modells?
Als Zwischenfazit müssen wir dies für die Branche Banking klar verneinen. Zwar bieten Finanzinstitute wie die Deutsche Bank oder die DZ Bank inzwischen PPU-Kredite an. Doch insgesamt hat das Konzept nur wenige Nachahmer in der deutschen Bankenlandschaft gefunden. Fehlt es hier vielleicht einfach an kreativen Lösungen?
Für Consileon ist das ein Anlass, weitere Use-Cases für Product-as-a-Service zu untersuchen und zu prüfen, welche Konzepte sich auf das Privatkundengeschäft von Banken übertragen lassen. In Deutschland gilt die individuelle Tarifbestimmung für Finanzprodukte und -dienstleistungen als neuartig und innovativ. In anderen Ländern und Branchen haben sich jedoch ähnliche Methoden längst etabliert.
Damit richtet sich unser Blick auf Homie aus den Niederlanden. Homie ermöglicht es seinen Kundinnen und Kunden, mittels Product-as-a-Serviceeine Waschmaschine, einen Trockner oder eine Geschirrspülmaschine online zu bestellen, kostenlos anschließen zu lassen und auf Basis der Nutzung zu bezahlen (mit einer geringen monatlichen Mindestgebühr). Kundinnen und Kunden können dabei zwischen unterschiedlichen Verträgen auf Basis ihrer Waschgewohnheiten wählen.
Auch im Bereich der Kfz-Versicherung gibt es Leuchtturmprojekte. Pay-as-you-drive-Angebote wie von der Allianz ermöglichen eine individuelle Bemessung der Versicherungsbeiträge auf Basis des Fahrverhaltens, etwa Bremsdauer, Geschwindigkeit, Stadt- und Nachtfahrten. Die Berechnungen werden auf der Grundlage eines Plug-in-Systems durchgeführt, das ein Auto zu einem sogenannten Smartcar macht.
Ebendiese Vernetzung ist auch die Grundlage für einen weiteren Use-Case aus der Automobilbranche: SHARE NOW. Dieses Automietmodell bietet einen Tarif nach gefahrenen Kilometern – inklusive Tankfüllung und Versicherung.
Neue Geschäftsmodelle für Finanzinstitute
Unsere gewählten Beispiele für Use-Cases zeigen, dass PPU-Modelle bereits von zahlreichen Menschen angenommen und erfolgreich genutzt werden. Dennoch sind wir bei Consileon überzeugt, dass das PPU-Potenzial im Privatkundengeschäft von Banken bei Weitem noch nicht ausgeschöpft ist und viele Hauptproduktfelder bislang von PPU unberührt geblieben sind, etwa die Baufinanzierung, der Ratenkredit oder das Anlegen und Sparen im Wertpapierbereich.
Was spricht darüber hinaus dafür, sich als Finanzunternehmen eingehender mit dem Thema PPU zu beschäftigen? Das Privatkundengeschäft weist, anders als das Firmenkundensegment, eine hohe Digitalisierungsquote auf, was Grundvoraussetzung für PPU ist. Laut Statista bevorzugen heute 57 Prozent der Verbraucherinnen und Verbraucher das Internetbanking. Auch an physischen Geräten, die als Voraussetzung für PPU sehr leistungsfähig sein müssen, um die Daten entsprechend verarbeiten und übertragen zu können, wird es in Zukunft nicht mangeln. Dem World Retail Banking Report 2020 zufolge werden im Jahr 2025 bereits über 75 Milliarden IoT-fähige Geräte weltweit vernetzt sein.
Für Finanzinstitute gilt es nun, zu reagieren und neue Geschäfts- sowie Preismodelle im Rahmen von PPU zu entwickeln. Erste Ansätze beinhalten folgende Maßnahmen:
- Weiterentwicklung einer eigenen Produkt- und Dienstleistungslandschaft, wie es die Commerzbank oder die Allianz bereits tun
- Einbindung von Cross-Selling-Produkten aus PPU, was zum Beispiel im Bereich Versicherungen bereits üblich ist (Embedded Insurance)
- Fokussierung auf die Rolle des Payment-Abwicklers, beispielsweise DZ Bank in Kooperation mit PayperChain
Fazit: PPU als Chance für Finanzunternehmen
Unsere Sekundäranalyse zeigt, dass PPU in vielen Branchen erfolgreich eingesetzt wird, es im Privatkundengeschäft von Banken allerdings an Innovationsgeist fehlt. Wer langfristig erfolgreich sein möchte, sollte bereits heute den Blick auf die nachrückende Generation richten, da sie schon bald das Kundenverhalten bestimmen wird. Ihre sich verändernden Vorlieben und Bedürfnisse wie auch das Konsumverhalten werden maßgeblich den Erfolg neuer Geschäftsmodelle bestimmen.
Wir beobachten eine Veränderung im Nutzungsverhalten der Kundinnen und Kunden: Je begeisterter sie sind, desto häufiger nutzen sie ein Produkt oder eine Dienstleistung. Dies bedarf einer Anpassung und eines präzisen Monitorings der Customer-Journey, vielleicht sogar eines eigenen Customer-Retention-Managements.
Falls auch Sie PPU als Geschäftsmodell in Ihrer Bank einbinden möchten, unterstützen die Expertinnen und Experten von Consileon Sie gern dabei.