Mit einigen Jahren Rückstand gegenüber europäischen Nachbarn wie Dänemark, Schweden oder den Niederlanden ist das mobile Bezahlen auch in Deutschland angekommen. Getrieben von den großen, zumeist amerikanischen Kartengesellschaften und Techkonzernen, haben Handel, Banken und Netzbetreiber die Infrastruktur des Zahlungsverkehrs nachgerüstet und Verfahren entwickelt, die beim Publikum auf Akzeptanz stoßen. Bezahlte Anfang 2018 erst jeder Fünfte kontaktlos per Bankkarte, Kreditkarte, Smartphone oder Smartwatch, so stieg dieser Anteil laut einer Studie der Postbank binnen eines Jahres auf ein Drittel.
Der Vormarsch des kontaktlosen Bezahlens dürfte sich fortsetzen, zumal immer mehr Banken Systeme wie Apple Pay unterstützen und sich neue Mitspieler wie Bluecode am Markt etablieren. Dafür spricht auch der rückläufige Umsatzanteil der Barzahlungen, der 2018 mit 48,3 Prozent erstmals den Umsatz per Karte unterschritt.
Angesichts des Trends sollten Händler prüfen, wie der Zahlungsverkehr das Kerngeschäft strategisch unterstützen kann. Folgende Aspekte sind dabei kritisch:
- Verfügbarkeit des vom Kunden gewünschten Zahlwegs
- akute Relevanz des Angebots
- eigene Bezahldienste
Verfügbarkeit der Zahlungsmethode
Seit einigen Jahren bieten immer mehr deutsche Einzelhändler an der Ladenkasse den chinesischen Bezahldienst Alipay an, seit Sommer 2019 auch die Drogeriekette „dm“. Drogeriewaren made in Germany sind in China beliebt. Die Bezahloption richtet sich zum einen an Touristen, zum anderen an in Deutschland lebende Chinesen, die für Adressaten in der Volksrepublik einkaufen.
Vor der Coronakrise rechnete man bei Alipay für 2020 mit gut 160 Millionen Auslandsreisen aus China. Mit dem Nachrüsten von Zahlverfahren, die neue Zielgruppen ansprechen, bieten stationäre Händler den Webshops Paroli. Neben internationalen Diensten, darunter Alipay oder dessen Konkurrent WeChat Pay, gehören dazu innovative Verfahren wie das datensparsame Bluecode oder das Barzahlen von Onlinekäufen an der Ladenkasse.
Akute Relevanz
Laut dem Marktforschungshaus Nielsen ging die Zahl der Ladenbesuche in Deutschland in den Jahren 2013 bis 2018 von 232 auf 193 zurück. Je geringer die Besuchsfrequenz, desto wichtiger wird es, den Kunden bei jedem Einkauf Waren oder Dienste anzubieten, die ihn genau an diesem Tag interessieren. Mit steigendem Anteil elektronischer Zahlungen steigt die Menge an Kundendaten, die sich zur Formulierung solcher tagesrelevanter Angebote auswerten lassen. Der Techkonzern Apple etwa erstattete im Dezember 2019 Käufern, die mit der firmeneigenen Kreditkarte zahlten, sechs statt der üblichen drei Prozent des Warenpreises. Auch Amazon sowie das Bonussystem Payback analysieren den virtuellen Kassenbon, um Kunden mit inhaltlich und zeitlich abgestimmten Angeboten zu weiteren Käufen zu animieren.
Eigene Bezahldienste
Laut Branchen-Newsletter Finanzszene war Deutschlands profitabelste Bank 2017 die Finanztochter des VW-Konzerns. Wenn also ein Autohersteller mit Finanzdiensten satte Gewinne einfährt, sollten auch Handelsunternehmen prüfen, ob der Aufbau einer Finanzsparte nicht lukrativer ist als die Abhängigkeit von externen Dienstleistern, die primär ihr Eigeninteresse verfolgen.
Die Neufassung der EU-Zahlungsdiensterichtlinie (Payment Services Directive, PSD) erleichtert neuen Mitspielern den Markteintritt und ermöglicht Realunternehmen, Finanzdienste anzubieten, die ihr Kerngeschäft unterstützen. Der Vorteil liegt bei diesem Ansatz in der starken Ausrichtung solcher Dienste am realwirtschaftlichen Geschäftsmodell.
Waren Pioniere wie die Ottogruppe mit Yapital noch gescheitert, so stehen die Erfolgschancen aufgrund höherer Akzeptanz des mobilen Bezahlens heute deutlich besser. Das System Payback Pay etwa, das wie Yapital mit QR-Codes operiert, hat sich am Markt etabliert.
Jahrelang hatten die Mobile Payment-Spezialisten im Handel mit der Umsetzung regulatorischer und operativer Anforderungen alle Hände voll zu tun. Nun ist wieder Luft, Innovationen an der Ladenkasse voranzutreiben.
Ihr Payment-Experte bei Consileon: aye4fin
Innerhalb der Consileon-Gruppe berät aye4fin DAX-Unternehmen und Start-ups zu den Themen elektronischer Zahlungsverkehr, E-Commerce-Plattformen und Datenanalyse. Mit profunder Erfahrung aus Projekten bei inländischen und internationalen Marktführern helfen die Kollegen bei Konzeption, Betrieb und Optimierung der einschlägigen Systeme.